Die Geschichte der Homöopathie
Samuel Hahnemann wurde 1755 in Meißen als Sohn eines Porzellanmalers geboren. Sehr früh wurde sein außerordentliches Talent erkannt und seine weitere Ausbildung gefördert. Im Rahmen seines Medizinstudiums kam er unter anderem nach Wien, wo er bei Joseph Freiherr von Quarin, dem Leibarzt von Kaiser Joseph II. und Gründer des Alten AKH, im immer noch existierenden Krankenhaus der Barmherzigen Brüder studieren durfte.
Die Medizin im 18. Jahrhundert war geprägt durch Verfahren, die wissenschaftlich nicht fundiert waren, z. B. Aderlässe, Klistiere, etc. Hahnemann gab daher die Ausübung des medizinischen Berufs auf, da er von dieser Art von Medizin enttäuscht war. Er sicherte das Überleben seiner rasch anwachsenden Familie durch Übersetzungen. Dabei kam er bei der Übersetzung eines Werkes von William Cullen zu einer Stelle, an der die Wirkung der Chinarinde besprochen wird: das Kauen der Chinarinde heilt Malaria durch eine tonisierende Wirkung auf den Magen, was von Cullen auf deren Bitterkeit zurückgeführt wurde. Hahnemann bezweifelte diese Erklärung und konstatierte bei einem Selbstversuch tatsächlich Symptome, die denen der Malaria ähnlich waren. Durch einen Gedankenblitz kam ihm eine der Grundlagen der Homöopathie in den Sinn, nämlich „Similia similibus curentur“ (Ähnliches muss durch Ähnliches geheilt werden). Durch dieses Ähnlichkeitsgesetz ist die Homöopathie definiert. Die praktische Umsetzung des Ähnlichkeitsgesetzes bedeutet vereinfacht, dass einerseits die Einnahme von Chinarinde beim Gesunden Malariasymptome hervorrufen kann und andererseits Kranke mit ähnlichen Symptomen durch Chinarinde geheilt werden können. Dabei wird durch das jeweilige Arzneimittel im Körper eine Kunstkrankheit erzeugt, die stärker ist als die eigentliche ursprüngliche Krankheit und diese damit überwindet. Die Dauer der Kunstkrankheit ist aber bedeutend kürzer. Somit kommt es also zu einer Anregung der Eigenheilkräfte.
Ein praktisches Beispiel ist die Küchenzwiebel, die beim Schneiden bei vielen Menschen Tränen und Schnupfen hervorruft. Umgekehrt kann die Küchenzwiebel (Allium cepa) bei PatientInnen mit starkem Schnupfen und Tränenfluss angewandt werden.
In der Folge untersuchte Hahnemann verschiedene pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen und schrieb die Symptome genau auf. Dabei entstanden die sogenannten Arzneimittelbilder nach der Prüfung am Gesunden. Da die Zahl der Symptome sehr groß war, entstanden später Repertorien, das sind Register, mit deren Hilfe die Arzneimittel leichter auffindbar sind.
Er begann eine Praxis, da er ein cholerischer Typ war und zudem im Krieg mit Apothekern wegen Selbstdispensierung lag, ist er zum Leidwesen seiner Familie mehrmals umgezogen. Er lebte zuletzt in Köthen. Er war verheiratet mit Henriette Küchler mit der er elf Kinder hatte. Henriette verstarb, im Alter von 80 Jahren lernte er die 35-jährige Pariser Malerin Melanie Gohier kennen und heiratete sie. Melanie brachte ihn nach Paris, was natürlich zu einer Verstimmung der Deutschen führte. Melanie baute mit ihm eine große Praxis sowie eine Armenpraxis in Paris auf, er verstarb mit 88 Jahren im Jahre 1843 und ist am Friedhof Père Lachaise begraben. Besonders muss betont werden, dass die Homöopathie von einem einzigen Mann nahezu vollendet werden konnte.
Hahnemanns wesentliche Werke sind: das Organon, 6. Ausgabe, das die Grundlagen der Homöopathie in knapp 300 Paragraphen zusammenfasst. Der § 1 besagt: „Des Arztes höchster und einziger Beruf ist, kranke Menschen gesund zu machen, was man Heilen nennt.“: Das heißt, dass im Unterschied zur konventionellen Medizin nicht die Krankheit, sondern das Individuum im Mittelpunkt der Behandlung steht. Von besonderer Bedeutung ist auch der § 153, der die Wichtigkeit der eigentümlichen und sonderbaren Symptome für die Anamnese und Mittelfindung besonders herausstreicht. Die Arzneimittellehre beschreibt sämtliche bei der Prüfung aufgetretenen Symptome, die Chronischen Krankheiten sind Hahnemanns Meisterwerk, das er erst im hohen Alter abschloss.
Das Herzstück der Homöopathie ist die Anamnese, also die genaue Befragung der Erkrankten. Die PatientInnen kommen mit Beschwerden und Befindlichkeitsstörungen in die homöopathische Praxis, vorteilhafterweise noch vor organischen Veränderungen. Die PatientInnen schildern ihre Beschwerden, am besten simpel und einfach ohne Verwendung von Fremdwörtern und fertigen Diagnosen. Der Arzt schreibt alles auf, versucht wenig zu unterbrechen, nur hier und da gezielte Zusatzfragen zu stellen. Die Anamnese in der Homöopathie zeichnet sich durch besondere Berücksichtigung individueller Symptome aus.
Die Fragen des Arztes beziehen sich, ähnlich wie in der konventionellen Medizin, auf Familienanamnese, Kinderkrankheiten und frühere Krankheiten. Weiters werden eine vegetative Anamnese, eine soziale, private sowie berufliche Anamnese erhoben, wobei auch Gemütssymptome besondere Beachtung finden. Dazu kommt eine physikalische Untersuchung. Wert wird auf zum Teil weniger wichtig erscheinende Details gelegt, wie z. B. Empfindlichkeiten gegenüber Temperatur, Wind, Feuchtigkeit, etc. Nach Aufschreiben aller Symptome versucht der Arzt das passende Arzneimittel zu finden, das bei der Prüfung bei Gesunden ähnliche Symptome hervorzurufen imstande ist. Das Arzneimittel regt die Eigenheilkräfte des Körpers an, es „hebt“ die Krankheit von innen heraus.
HOMÖOPATHISCHE POTENZEN
Die Einnahme erfolgt zumeist oral in Form von Globuli (Kügelchen), die aus Rohrzucker bestehen und mit einem Arzneimittel getränkt sind. Es gibt verschiedene Stärken (= Potenzen): C- Potenzen, D- Potenzen, LM-Potenzen (=Q-Potenzen), die einen unterschiedlichen Verdünnungsgrad angeben. Warum hat Hahnemann nun die Potenzen eingeführt? Er testete zunächst die Arzneimittel in für die damalige Zeit üblichen Dosen. Da bei der Prüfung von Veratrum album eine seiner Töchter beinahe gestorben wäre (manche Pflanzen sind ja im Urzustand sehr giftig), dachte er über eine andere Form der Zubereitung nach. So entwickelte Hahnemann die “Potenzen“: Potenz bedeutet Verdünnung UND Verschüttelung des Arzneimittels. Die Verschüttelung führt zum Übergang der Wirksamkeit eines Arzneimittels auf das Lösungsmittel. Es wird zum Beispiel ein Teil eines pflanzlichen Auszugs mit 99 Teilen eines Wasser-Alkoholgemisches in ein Fläschchen gebracht. Nach Verschluss mit einem Deckel wird das Gemisch nunmehr gegen den elastischen Einband eines Buches geschlagen ("verschüttelt“). Damit wird eine C1 erzeugt (C steht für die römische Ziffer „Centesimal“, da es sich um eine 1:100 Verdünnung handelt). Aus diesem Fläschchen wird nunmehr wieder ein Teil entnommen und 99 Teilen eines Wasser-Alkoholgemisches verschüttelt. Dies entspricht einer C2. Nach diesem Prinzip kann die Potenzierung weiter erfolgen. Hahnemann machte viele Untersuchungen mit einer C 30. Diese so genannten „Hochpotenzen“ zeichnen sich aber durch ihre besonders tiefgehende Wirkung aus.
Hochpotenzen sind aber nicht eine unabdingbare Voraussetzung zur Anwendung der Homöopathie, allerdings treten viele Qualitäten der Arzneimittel erst bei höherer Potenzierung hervor. Zudem können mit der Potenzierung die toxischen (=giftigen) Effekte mancher Arzneimittel umgangen werden. Die D-Potenzen werden analog zu den C-Potenzen in einem Verhältnis 1:10 erzeugt. Die LM-Potenzen wiederum in einem Verhältnis von 1:50.000 nach einer komplexen Vorschrift.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Homöopathie dadurch gekennzeichnet ist, dass sie von ÄrztInnen unter Verwendung von Einzelmitteln nach der Ähnlichkeitsregel mit an Gesunden und Kranken geprüften Arzneimitteln durchgeführt wird.
Buchhinweis:
Homöopathie in der Intensiv- und Notfallmedizin. Frass, Michael, Bündner, Martin (Hrsg.). Elsevier (Urban und Fischer) Verlag, 2. Auflage 2019, ISBN: 978-3-437-09936-6
Integrative Medizin: Evidenzbasierte komplementärmedizinische Methoden, Herausgeber: Michael Frass, Lothar Krenner. 2019, Springer Verlag, Berlin, Deutschland. ISBN 978-3-662-48878-2